"Humania":

Unter dem Eindruck bewaffneter Auseinandersetzungen im Gefolge der Revolution wurden im Deutschen Bund eine Vielzahl Frauenhilfsvereine gegründet, z. B. im Juni 1848 der Frauenclub Concordia in Mannheim. Bei „Humania“ handelte es sich um einen der klassischen und häufigen Frauenvereine, die in Deutschland seit den Freiheitskriegen, in Zusammenhang mit dem demokratischen  Hambacher Fest 1832, den polnischen Aufständen und in Notzeiten oder zur Fürsorge überall entstanden und wirksam waren (s. auch Mainzer Frauenhilfsverein im Krieg 1870/71).  Insofern wurde eine geläufige und positive Tradition fortgesetzt.

In Mainz gab es schon lange und über die Revolution hinaus  anerkannte Frauenvereine mit vergleichbaren Zielsetzungen 
(s. „Telegraph“ Nr. 2 u. 57 v. 1840/Mainzer Wochenblatt, Mai 1849, S. 524). Ob der von Mainzern Bürgern erhoffte und auch erwogene Zusammenschluß von Vereinen erfolgte, ist unbekannt.

Als weiterer und wohl jüngster (neben dem „Ableger“ Kastel) wurde kurz vor dem endgültigen Zusammenbrechen der Revolution Ende Mai 1849 auf Initiative des Mannheimer “Frauenvereins zur Unterstützung notleidender Patrioten” und die dortigen Statuten übernehmend „Humania" in Mainz eingetragen. K. Zitz und Frau Bamberger sen. waren federführend. Ziel war nicht nur die Unterstützung und Hilfe für verwundete und gefangene Freischarsoldaten, sondern auch Zuwendungen für die Flucht verurteilter Patrioten (Statuten in NL Zitz, Stadtarchiv Mainz) Die Statuten weisen keine demokratisch/revolutionäre Inhalte auf. Humania „...zählte rasch 1647 Mitglieder.... In den fast zweieinhalb Jahren seiner Existenz gelang es den Frauen, ungefähr 6000 Gulden zu sammeln...." (ungeprüfte Übernahme aus „regionalgeschichte.net“).

Hierbei sind die Vereinsbeiträge eingerechnet, so daß für die angegebene Zeit pro Mitglied etwas weniger als 4 Gulden aufgebracht worden wären.

Außerhalb von Vereinen wurde ebenfalls gespendet. Eine in Mainz am 4. 6. 49 von Privatpersonen betriebene Sammlung zugunsten verwundeter Soldaten erbrachte innerhalb von 2 Stunden 500 Gulden (s. “Demokrat” Nr. 53 v. 22. 7. 49). Weitere gezielte und spontane Sammlungen innerhalb der Bürgerschaft und über die Presse folgten den gleichen Zwecken.

In der Zeitschrift „Der Demokrat" berichtete sie über ihre Reisen für die „Humania" in romanhaftem Erzählstil mit Rede und Gegenrede. Wie sie selbst zur „Ausweisung aus Karlsruhe" formulierte, dienten diese Reisen ausschließlich karitativen Zwecken: “Unser Verein kennt weder Preußen noch Freischaren, weder Feinde noch Freunde, sondern nur hilfsbedürftige Menschen, und wo wir einen Verwundeten finden fragen wir nicht nach seinem Heimatschein oder politischen Farbe, sondern wir lassen ihm die nötige Hilfe angedeihen". Diese „Ausweisung" war auch nicht ihren Aktivitäten, sondern allein dem Namen des Revolutionärs F. Zitz geschuldet, wie sie selbst belustigt berichtete (s. „Demokrat“ Nr. 53 v. 22. 7. 49).

 

In diesem Artikel tritt einerseits ihre politische Harmlosigkeit mit sehr deutlicher Relativierung demokratischer Unterstützung zutage, andererseits sonnt sie sich ausgiebig in der auf den Namen  F. Zitz gerichteten Aufmerksamkeit.

 

Humania" war von der Obrigkeit nicht als politischer Verein eingestuft. Das waren in Mainz der „Demokratische Verein", der „Bürgerverein", der „Leseverein", der „Bildungsverein für Arbeiter " und der „Turnverein" (NL politische Vereine 1845 - 1854 in Stadtarchiv Mainz).

 

Wenn auch bei der Gründungsrede mit abenteuerlichen Beimengungen von Waffenhilfe die Rede war (s. „Demokrat" Nr. 34 v. 17. 5. 49), so kann dies bei der tatsächlichen Sachlage (absehbares Ende der militärischen Auseinandersetzung, scharfe Kontrollen (s. “Anzeigeblatt für Rhh.” Nr.41 aus 1849), den Abrechnungen, bindenden Statuten und späteren Äußerungen) ausgeschlossen werden („Mainzer Zeitung“ Nr. 165 v. 3. Juli 1849)). Anderes ist nicht nachweisbar. Möglicherweise ließ sich die Rednerin von einer kurz zuvor in Mainz gegründeten diesbezüglichen Initiative inspirieren (s. „Mainzer Tagblatt“ v. 12. 5. 1849). Insofern ist ihre Rede zwei Wochen später bei der Gründung des Kasteler Vereins mit kategorischem Ausschluß politischer Ziele eindeutig („Kasteler Beobachter” v. 31. 5. 1849, s. auch Quelle zu „Ausweisung aus Karlruhe").

 

Spätestens Mitte 1850 (Juni), wahrscheinlich aber schon im März war K. Zitz aus dem Verein ausgeschieden, wobei Zeitpunkt und Gründe über ihre Darstellung hinaus derzeit nicht objektivierbar sind (Quelle: Mecocci, „Kathinka Zitz", S. 110). Bezeichnenderweise gibt es auch hierzu keine primären Quellen. Die mit großem publizistischen Aufwand gestartete "Humania"und mit noch größerem Aufwand inszenierte Rolle der "Präsidentin" Zitz hatten sich Ende 1849 und Anfang 1850 deutlich verändert. Von "Heilsreisen" ist keine Rede mehr. Am 17. 3. 50 wurde ein neuer Vorstand gewählt ("Mainzer Zeitung" v. 9. 3. 1850). Das Protokoll dieser Versammlung fehlt. Die jede Spende - und wenn auch nur 30 Kreuzer - in der "Mainzer Zeitung" anzeigende K. Zitz trat nach dieser Wahl nicht mehr als Vorsitzende oder Präsidentin auf. Spenden wurden von ihr als Privatperson angenommen ("...erhielt ich.."). Im Vordergrund standen Zuwendungen für die mit ihr gut bekannte Familie Kinkel. Ihre Spendenanzeigen versickerten mit Fortschreiten des Jahres.

 

Nach den vorliegenden Erkenntnissen war sie ab Ende Mai 1849 bis März 1850 bei "Humania", bereits im Spätjahr 1849 in deutlich ruhigerem Fahrwasser. Für den erhobenen und ihr zugeschriebenen Anspruch ein kurzes Engagement.

 

Eine Anklage oder polizeiliche Verfolgung wegen ihrer Vereinsaktivitäten erfolgte entgegen solcher Behauptungen zu keiner Zeit (s. “Verhandlungen des rheinh. Hochverratsprozesses von 1850", S. 77), zumal diese sowohl objektiv als auch nach eigenem Verständnis keinen politischen Hintergrund hatten. Die in neuerer Zeit kolportierte Vernehmung läßt sich nicht belegen. Daß sie bei dem rheinhessischen Hochverratsprozeß  auch keine Zeugin war (weder von Anklage noch Verteidigung), bestätigt ihre politische Bedeutungslosigkeit.

Humania stellte die notwendige Unterstützung politisch Verfolgter und Flüchtlinge besonders heraus. F. Zitz, Galionsfigur der Mainzer Revolution, Abgeordneter des Paulskirchenparlaments und Motor der allen Bürgern zugute kommenden Märzerfolge, wurde bei seiner Flucht zu aller persönlichen Tragik noch finanziell geschädigt. Er hatte unter Einsatz seines Lebens an den Freischaraufständen teilgenommen, wurde ab Juni 1849 steckbrieflich gesucht, ihm drohte die Todesstrafe. Unter Aufgabe seiner heimatlichen Existenz flüchtete er noch im gleichen Monat in die Schweiz und weiter bis nach Amerika.

Auf ihr Verlangen wurde am 6. 6. 1849 für sie eine Sicherungshypothek für alle Immobilien von F. Zitz eingetragen (LA Speyer, 791788: Einschreibungsregister, Serienband 292). Zur Löschung und danach erst möglichen Immobilienveräußerung mußte sie beteiligt werden. Am 19. 1. 1850 wurde der Verkauf eines von Franz Zitz 1844 (also außerhalb der Gemeinschaft, s. unten zu “Vorkämpferin für Frauenrechte”) erworbenen Hausgrundstücks in Mainz notariell beurkundet. Verkäufer waren zu gleichen Teilen der von F. Zitz mit Generalvollmacht ausgestattete Rechtsanwalt Müller-Melchior und K. Zitz (letztere im Zusammenhang mit der Sicherungshypothek). Der Reinerlös des Verkaufs betrug 13.000,- Gulden (s. Landesarchiv Speyer, Bestand K55, Notariat Mainz, Kasten 2333).

K. Zitz griff somit im Fluchtmonat nachdrücklich und entschieden auf für das Exil benötigtes Vermögen des politischen Flüchtlings F. Zitz zu. Ob sie insofern weitere Möglichkeiten wahrnahm, ist derzeit unbekannt: wie aus einem ohne Datum und Unterschrift im Mainzer Nachlaß verwahrten Brief hervorgeht, erhielt sie zuverlässig Nachricht, wenn F. Zitz beabsichtigte, „Hypotheken flüssig zu machen" (Schreiben Mainzer Nachlaß K. Zitz)). F. Zitz kam auch aus Amerika den mit Urteil auferlegten Unterhaltszahlungen nach (s. unter “Vorkämpferin...”).

 

Fazit:

Irgendwelche demokratische oder revolutionäre Aktionen der “Humania” über die statutenfixierte Zielsetzung hinaus (s. o.) sind weder mit konkreter Absicht noch Planung oder gar Ausführung festzustellen, wären in Anbetracht der Zeitumstände auch kaum zu realisieren gewesen. Wie heißt es in Mainz so treffend: "....da war de Mackt schunn verloffe!" 

In den Akten der Mainzer Sicherheitspolizei finden sich von 1849 bis 1851 weder "Humania" noch K. Zitz erwähnt (Akten der Mainzer Sicherheitspolizei in Stadtarchiv unter 070/14787).

Es konnte nur noch um “Caritas” gehen. Die Rolle der Vorsitzenden (oder Präsidentin) K. Zitz wurde hierbei plakativ vermittelt. Ihre für die Öffentlichkeit diesbezüglich breit herausgestellte Tätigkeit ist in zahlreichen Dank- und Lobesbriefen (s. Nachlässe Mz. und Wi.) und ihren Beiträgen für den “Demokrat” mit Blick auf die Nachwelt festgehalten (s. unten).

Weder von Führungsstruktur ("Präsidentin") noch Zielsetzung kann "Humania" als demokratischer Verein gelten. Das geben die - für jedwede Vereine der damaligen Zeit typischen - Statuten nicht her, anderweitige Fakten fehlen.

Die bewaffnete Reaktion hatte bereits Oberhand, wenige Wochen nach Humaniagründung waren die Freischaren im Badischen besiegt, Kämpfe erloschen. Die steckbrieflich gesuchten Köpfe der Bewegung flüchteten 6/49 außer Landes, die Führungs- und Organisationsstrukturen waren aufgelöst, die Revolution beendet. Von Ende 5/49 bis 9/49 schrieb K. Zitz für „Humania" im „Demokraten", auch in Fortsetzungen. Bei Fortgang der Ereignisse waren viele Texte nur noch leeres Pathos in aussichtsloser Situation, auch ihre oft vielstrophigen - anonymen - Gedichte, Opfern und Angehörigen gewidmet (z. B. „Demokrat” Nr. 65 v. 2.9.1849). Gleichzeitig veröffentlichte sie deutschkatholische Angriffe gegen ihr ultramontanes Feindbild („Demokrat” Nr. 66 v. 6. 9.19.9 1849). In diesem Zusammenhang sind auch die umfangreichen Texte zu den „Geheimnissen der Jesuiten" zu sehen: Der „Demokrat" hatte sich sehr verändert, war nun mehr literarische Bühne denn politisches Organ (s. „Demokrat" Nr. 61 v. 19. 8. 1849). Am 30. 9. 1849 verabschiedete sich das Blatt von seinen Lesern.

„Humania" (Ende Mai 1849 bis März 1850) und „Demokrat" (1849 für wenige Monate) waren K. Zitz Bühne. Festzustellen ist, daß durch „Humania" wirksam karitative Hilfe geleistet wurde – ungeachtet ihrer Motivationslage. In diesen Rahmen fällt auch die – oft höchst persönliche – Hilfe für die Familie Kinkel.

Viele andere Frauenhilfsvereine dieser Zeit leisteten ähnliches. Die dokumentierten „Humania"-Daten zu Einnahmen und Ausgaben lassen im Verhältnis zur Mitgliederzahl und Dauer des Bestehens keine hervorgehobenen Leistungen erkennen (s. auch obige Daten zu Spendenergebnissen). Spendenaufrufe zu Gunsten des Schleswig-Holsteinischen Krieges im Frühjahr 1848 hatten deutlich mehr Frauen mobilisiert als die Sammlungen  demokratischer Unterstützungsvereine (Carola Lipp – Hrsg. - in “Liebe, Krieg und Revolution – Geschlechterbeziehung u. Nationalismus“, S.353-384, Bühl-Moos 1986”).

 Politische bzw. frauenrechtliche Bezüge, Absichten und Ergebnisse sind konkret nicht feststellbar. Anderweitige, aus ihrem Nachlaß gesogene  Behauptungen entbehren des objektiven Beweises.

Auch während und nach Ende ihrer “Humania”-Zeit setzte K. Zitz ihre Schriftstellerei unbehelligt im gewohnten bürgerlichen Umfeld fort, abgepolstert und abgesichert durch die bis Lebensende erlangten Gelder von F. Zitz, der wie Kalisch und Bamberger verfolgt und in das Exil gezwungen war.